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Ansprache (gekürzt) von Pfarrer Stehle auf dem Friedhof in Mramorak
Freitag, 7. Sept. 2007
Vorbemerkung zur Totengedenkfeier auf dem Mramoraker Friedhof
Am Freitag, 7.9.207, fuhren wir nach MRAMORAK.
Bevor wir von der Feuerwehr und der Folklore Tanzgruppe begrüßt und vom Deutsch-Serbischen Freundschaftsverein bewirtet wurden, fuhren wir auf den ehemaligen deutschen Friedhof. Es ist ein trostloser und verkommener Ort. Alles ist überwuchert und im Laufe der Jahrzehnte hat sich auch viel Müll angesammelt. Soweit wir noch Gruften sahen, waren sie aufgebrochen oder von wilden Tieren ausgehöhlt.
Ein kleines Stück (vielleicht 20 auf 15 Meter) wurde gerodet und für unsere Feier vorbereitet. In der Mitte dieses Platzes stand ein Kreuz, eingefaßt von Steinen, einem Grab ähnlich. Den Freunden aus Mramorak, die uns die Stätte hergerichtet haben, sei Dank gesagt.
Unser Pfarrer, Jakob Stehle, (selbst noch in Mramorak geboren - Jahrgang 1942) hatte den Talar angezogen und das Barett aufgesetzt So wollte er der Feier auch den würdigen, liturgischen Rahmen geben im Sinne eines "Gottesdienstes zur Erinnerung an unsere Toten".
Dann fand die Totengedenkfeier statt.
Nach einem Eingangswort und einem Gebet las er uns aus dem Buch Hiob vor, und zwar aus dem 15.Kapitel:
"Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe. Er geht auf wie eine Blume und fällt ab; flieht wie ein Schatten und bleibt nicht. .... Ach, daß Du mich im Totenreich verwahren und verbergen wolltest, bis dein Zorn sich legt, und mir ein Ziel setzen und dann an mich denken wolltest! Dann würdest Du meine Übertretung in ein Bündlein versiegeln und meine Schuld übertünchen."
Danach sangen wir das Lied "Herr, wir stehen Hand in Hand".
In der ANSPRACHE ging Pfarrer Stehle auf die Geschichte des Friedhofs ein. Wann genau dieser "Neue Friedhof" angelegt wurde, war im Augenblick nicht bekannt. Der "Alte Friedhof" war schon zu unserer Mütter/Väter Zeiten ein Park. Die Mehrzahl der Kreuze und Grabstätten auf dem „Neuen Friedhof“ sind verschwunden, vielleicht unter dem vielen Gebüsch, Geröll und Schutt verschüttet. Der Ort ist aber für uns Mramoraker immer noch eine Stätte der Erinnerung, Erinnerungen an einst Lebende, die hier ihre letzte Ruhe fanden. Und damit ist der Friedhof noch ein Ort, der uns in Mramorak an unsere alte Heimat erinnert.
Unsere Ortschaft Mramorak wurde namentlich vor nicht ganz 300 Jahren zuerst erwähnt (1717). Damals standen dort 12 Häuser. Das ehemalige "Mramoraker Gut" gehörte seit 1764 zum "Deutschbanater Grenzregiment" - ein Schutzgebiet, das das österreichische Reich vor den Türken schützen sollte. Ende April 1821 waren dann schon insgesamt 249 von den 265 angebotenen Haushaltungen in Mramorak besetzt. So steht das Jahr 1820/21 eigentlich für den Beginn des deutschen Lebens dort.
1945 kam für uns Deutsche das bittere Ende. Die Tito-Partisanen überrannten den Ort nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Belgrad. Die deutschen Bürger wurden zu Gefangenen in ihrer eigenen Ortschaft (April 1945). Im Oktober 1945 wurden sie mit dem Eisenbahn-Viehtransport nach Rudolfsgnad gebracht. Viele Frauen wurden nach Rußland verschleppt. Diejenigen Kinder, die keine Verwandten hatten, kamen in Rudolfsgnad in ein Kinderheim. Eine traurige und leidvolle Geschichte.
Nach einer Angabe in unserem Heimatbuch zufolge, kamen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern um die 928 Mramoraker zu Tode.
Wie gut beschreibt das Buch Hiob die Vergänglichkeit. Es spricht aber auch von dem Gottvertrauen. Und dieses Gottvertrauen konnten die Partisanen uns nicht nehmen. Ja, unsere "Lebenstage" sind gezählt. Unsere guten Taten und unsere bösen Taten folgen uns nach. Wie gut, daß wir um die Liebe Gottes wissen, die Liebe, die Versöhnung schafft in Christus Jesus. Und so dürfen wir uns gegenseitig auch auf dem "Totenacker" trösten: "Ach, daß Du mich im Totenreich verwahren und verbergen wolltest, bis dein Zorn sich legt, und mir ein Ziel setzen und dann an mich denken wolltest!"
Als Versöhnte dürfen wir auch nach dem Friedhofbesuch unseren Weg gehen.
Als Abschlußlied sangen wir Verse aus dem Abendlied "Der Mond ist aufgegangen".
"Gott, laß dein Heil uns schauen,
auf nichts Vergänglichs trauen,
nicht Eitelkeit uns freun;
laß uns einfältig werden
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein."
Am Schluß der Feier forderte unser Pfarrer die Anwesenden auf, einen grünen Zweig oder einen Stein am Kreuz niederzulegen.
Einige versuchten durch das Gestrüpp in den hinteren Teil des Friedhofs vorzudringen. Pfarrer Stehle schlug im Bus vor, daß wir doch einmal mit einigen Männern einige Tage in Mramorak verbringen und den Friedhof reinigen. Mal sehen, ob solch ein Arbeitseinsatz zustande kommt.
Danach fuhren wir hinunter zum Gemeindeamt zur Begrüßung durch die Feuerwehr und der Folklore Tanzgruppe. Danach waren wir mit Einheimischen (Serben!) zusammen im Gemeindehaus der Jägergruppe zum Mittagessen. Manche meinten, daß dieses Haus aus den Steinen der abgebrochenen Kirche errichtet wurde. Ein bitterer Tropfen in dem Kelch der Gemeinschaft mit den jetzigen Bewohnern in Mramorak, die uns gegenüber sehr freundlich waren.
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