Stehle-Webalbum
Mramoraker Jubiläumskirchweih - 22. September 2012





Bändel-Klein
Ansprache : Peter Zimmermann


60 JAHRE Heimatortsgemeinde MRAMORAK, HOGM


Peter Zimmermann
Sehr geehrte Ehrengäste, meine lieben Mramoraker Landsleute,
um es gleich vorweg in einem Satz zu sagen:
in diesem Jahr 2012 feiern wir sage und schreibe 60 Jahre HOGM!
Seit unserem ersten Kirchweihtreffen 1952 in Hohenacker kommen wir jedes Jahr zusammen um das Fest der Kirchweihe zu begehen, so wie das früher unsere Mütter und Väter im Ort unserer Herkunft Mramorak getan haben. Das ist ein Grund der besonderen Freude für uns und das muß auch gebührend gefeiert werden. Gemeinsam mit dem jährlichen Gedenktag im April bildet das jährliche Kirchweihtreffen im September den Kern der Zusammenkünfte unserer Heimatortsgemeinde. Gedenken und Feiern gehören zusammen: wir feiern immer aus einem bestimmten Anlaß, aber wir wollen auch neben der Erinnerung an die Vergangenheit die Freude an der Gegenwart genießen. Zu dieser Freude gehören zum Beispiel auch immer die Mramoraker Trachten, die von Elisaeth Wenzel und Irene Sperzel gepflegt und anläßlich der Kirchweih aus dem Kleiderschrank geholt und von uns getragen werden.

Die HOG ist in ihrer 60-jährigen Geschichte nahezu eine Institution geworden: wir haben einen 1. und 2. Vorsitzenden, das sind zur Zeit ich und Franz Apfel, einen Kassier, zur Zeit Richard Sperzel, einen Schriftführer und einen Ausschuss. Das Amt des Schriftführers übt momentan nach dem für uns alle schmerzlichen Verlust von Lilo Kohlschreiber unser Pfarrer Stehle aus. Ein bis zweimal jährlich trifft sich der Ausschuss und mindestens zweimal jährlich nehmen wir an Treffen des Landesverbandes der Donauschwaben teil gemeinsam mit anderen Heimatortsgemeinden.

Aber das eigentliche Gründungsjahr unserer HOG war gegeben mit dem dem ersten Kirchweihtreffen 1952. Trotz Flucht und Vertreibung aus der Heimat war unter uns das Gefühl der Zusammengehörigkeit so groß, daß wir beschlossen unsere Gemeinschaft weiter aufrecht zu erhalten. Und dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit hat, wie wir Alle sehen können, bis heute gehalten. Doch wir haben auch schon immer derjenigen Angehörigen gedacht, die nicht mehr unter uns sind. Deshalb war uns die Errichtung eines Gedenksteines 1987 in Ludwigsburg zum Gedächtnis der Opfer von Flucht, Vertreibung, Lager und Krieg eine Herzensangelegenheit. Und das 175-jährige Jubiläum Mramoraks im Jahre 1995 haben wir mit einer eigenen Feier in Ludwigsburg natürlich besonders gewürdigt.
175 Jahre Mramorak im Jahr 1995, das heisst, wir stehen heute im Jahr 2012 unmittelbar vor der 200-Jahr Marke !

Wie aber hat Alles begonnen in Mramorak ? Wie wir wissen sind 1820 die ersten deutschen Auswanderer eingetroffen in Mramorak. Es waren grossenteils Bauern, die sich aufmachten brachliegendes Grenzland zu kultivieren und in fruchtbare Getreidefelder zu verwandeln. Aber es wurde nicht nur gearbeitet in Mramorak. Im Laufe der Zeit hat sich ein beträchtliches gesellschaftliches und kulturelles Leben in Mramorak entwickelt. Es gab eine deutsch-evangelische Kirche, eine deutsche Schule, eine einsatzbereite Feuerwehr, einen Fussballverein, einen Männer-Gesangverein, 2 Blaskapellen, ein Streichmusik, eine Theatergruppe und ein Freibad. Wir können angesichts dieser Aufzählung nur staunen über den Reichtum des Lebens in Mramorak. Und sicher ist in dieser Aufzählung vieles vergessen.

Mramorak selbst ist keine deutsche Gründung, sondern höchstwahrscheinlich eine serbische Gründung, wie der serbische Ortsname auch sagt. Deshalb war es auch von Serben und Rumänen bewohnt, bevor Deutsche kamen. Aber den deutschen Einwanderern oder Auswanderern hat Mramorak so sehr gefallen, dass nach 100 Jahren schon über 50 % der Einwohner Deutsche waren. Neben Deutschen, Serben und Rumänen haben auch Ungarn und Zigeuner hier gelebt. Mramorak war also das, was wir heute mit dem oft geschmähten Wort als Multi-Kulti bezeichnen. Mramorak war ein Gemisch aus verschiedenen Sprachen, Ethnien, Religionen und Kulturen mit einem deutlichen deutschen Schwerpunkt.

Das Miteinander und Nebeneinander von verschiedenen Sprachen und Völkern, das für unsere Mramoraker Vorfahren Alltag war, hat lange funktioniert. Es hat genauso gut und genauso lange funktioniert wie der Vielvölkerstaat Österreich, denn Mramorak war zunächst eine Gemeinde in Österreich. Doch wie wir alle wissen hat sich im 19. Jahrhundert der Nationalismus in Europa ausgebreitet und der damals neue Gedanke der Nation hat alle mit sich gerissen. Für das Vielvölkerreich Österreich hat der Nationalismus zunächst ein Aufbegehren der Ungarn bedeutet, und das Kaiserreich Österreich musste schließlich im Jahre 1867 zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie umgestaltet werden. Mramorak war nun plötzlich über Nacht ungarisch, denn es war an der südlichen Grenze Österreich-Ungarns gelegen. Die mutmaßliche Verwirklichung der Idee der Nation hat Ungarn in weiten Teilen des öffentlichen Lebens eine Magyarisierung vorantreiben lassen, Ungarisch wurde Amtssprache und Schulsprache für alle, und die deutschen Mramoraker, genauso wie andere Donauschwaben, waren dieser Magyarisierung von oben ausgesetzt. Unsere Vorfahren lernten sich als eine nationale Minderheit zu fühlen, zwar nicht in Mramorak, aber in Ungarn. Zeitweilig wurde Mramorak sogar zu ungarisch Homokos umbenannt.

Und, wie wir alle wissen, hat die Geschichte den Donauschwaben aus Mramorak noch schwierigere Prüfungen auferlegt. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowaken im Jahre 1921 war Mramorak plötzlich von heute auf morgen eine Gemeinde in Jugoslawien geworden. Und in diesem später Jugoslawien genannten Staat sahen sich die Donauschwaben, auch die aus Mramorak, mit den gleichen Problemen konfrontiert wie zu Zeiten der Magyasieriung: mit den Auseinandersetzungen um Anerkennung als einer sprachlichen, kulturellen und ethnischen Minderheit. Aber es kam noch schlimmer. Da das selbst ernannte Grossdeutsche Reich im Kriegsjahr 1941 den Staat Jugoslawien zerschlug und Serbien unter deutsche Besatzung nahm, durften Deutsche im Falle einer deutschen Kriegsniederlage nichts Gutes erwarten. Die Donauschwaben mussten deshalb nach der deutschen Kriegsniederlage die Rechnung für die Taten des deutschen Nationalsozialismus begleichen. Obendrein wurde eine rechtzeitige Evakuierung der Donauschwaben aus Jugoslawien unmittelbar vor Kriegsende unterbunden durch nationalsozialistische Stabstellen.

Damit sind wir angelangt im Jahre 1945, das, so sehr uns das schmerzt, das unwiederbringliche Ende donauschwäbischen Lebens in Mramorak bedeutet.
Was war es, das uns 1952, nur sieben Jahre nach Kriegsende, zum ersten Kirchweihtreffen zusammengeführt hat ? War es der Mut der Verzweiflung ? War es der Glaube an einen Neuanfang ? War es der Trost von geliebten Menschen ? War es die Hoffnung auf eine Zukunft ?

Im Jahre 2003 haben wir, die HOGM begonnen Reisen in unsere alte, verlorene Heimat zu machen. Dort sind wir auf große Gastfreundschaft gestoßen, auch deshalb können diese Reisen in unterschiedlichsten Gruppen immer wieder neu unternommen werden, bis heute. Vielen von uns wurde es durch diese Reisen ermöglicht zum ersten Mal wieder die alte Heimat zu sehen, und obwohl dies oft mit Tränen verbunden war, können die Besuche doch ein Beitrag zur Aussöhnung sein, sei es eine Aussöhnung mit Anderen oder eine Aussöhnung mit dem eigenen Schicksal.

Auch auf die Instandsetzung der Gedenkstätte 2007 in Bavanischte und die Einweihung der Friedhofskapelle in Mramorak möchte ich noch hinweisen als Zeugnisse der Aktivität unserer HOGM. Nur durch die Spenden von Euch Allen war es möglich diese Denkmäler donauschwäbischen Lebens und diese Orte donauschwäbischer Erinnerung zu schaffen.

Wer immer noch nicht genug hat von Informationen über und Neuigkeiten zu Mramorak, dem möchte ich 3 Dinge ans Herzen legen. Erstens gibt es den bekannten Mramoraker Boten, in dem seit eh und je alles Wichtige zur HOGM abgedruckt wird, schwarz-weiss und nun auch in Farbe. Dafür verantwortlich ist, wie wir alle wissen Franz Apfel. Neuerdings wird er tatkräftig unterstützt von Bertram Doczy und Leni Bitsch-Gassmann. Zweitens möchte ich erinnern an das Heimatbuch Mramorak von Heinrich Bohland. Es ist zwar nicht mehr käuflich zu erwerben, aber wer es in einem Bücherschrank findet, sollte es unbedingt lesen. Und drittens hat ein gewisser uns wohl bekannter Pfarrer im Ruhestand dafür gesorgt, dass alles Wichtige über Mramorak auch im Internet (www.mramorak.de) zu finden ist - der Name dieses Pfarrers ist so bekannt, dass alle wissen um wen es geht, auch wenn er gar nicht erwähnt wird.

Liebe Landsleute, laßt es mich ehrlich sagen: die Generation der Kirchweihbesucher wird immer weniger. Und die jüngeren Generationen, unsere Kinder und Enkel, sind keine Dauerbesucher, auch wenn sie einmal bei der Kirchweih herein schnuppern. Jeder von uns weiß das. Und wir könnten diese Tatsache bedauern oder gar beklagen. Aber lasst uns einmal darüber nachdenken. Die Jüngeren kommen ja nicht, weil sie eine Abneigung gegen die Generation ihrer Eltern hätten, oder aus Respektlosigkeit der Kultur der Donauschwaben gegenüber. Sondern die Jüngeren kommen deshalb nicht, weil sie nicht in Serbien geboren sind, sondern im Schwabenland, die Jüngeren selbst haben keine eigene Erinnerung an Mramorak und sie sprechen auch nicht Serbo-Kroatisch, wie viele von uns das können. Zusammengefasst heißt das: für die Jüngeren ist, ganz selbstverständlich, das Schwabenland zur Heimat geworden.

Und damit, meine lieben Landsleute, ist etwas beschrieben, was wir, Ihr und ich, uns in den 50-er Jahren nicht im Traum hätten vorstellen können. Das Schwabenland, also genauer, das Land Baden-Württemberg ist für uns und unsere Familien zur neuen Heimat geworden. Nach Baden-Württemberg zurück hat uns der traurige Weg von Flucht und Vertreibung in den 50-er Jahren geführt. Und dann ist es uns gelungen uns aus dem Schmerz des Verlustes zu befreien und uns einen Platz im Ländle zu schaffen, in dem Ländle, das für uns zur neuen Heimat wurde und das die alte Heimat unserer ausgewanderten Vorfahren war. Ich möchte nur beiläufig daran erinnern, daß 1950 ungefähr 14% der Bevölkerung Baden-Württembergs Flüchtlinge und Vertriebene waren, das ist jeder Siebte !

Oft wird gefragt wie das sogenannte deutsche Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit zustande kommen konnte - ein Wirtschaftswunder auf dem Schutt und der Asche des Krieges. Wir Donauschwaben haben eine ganz eigene Antwort auf diese Frage. Denn ohne die Tatkraft und die Energie, ohne den Willen zum Neuanfang der vielen Flüchtlinge und Vertriebenen hatte es ein solches Wirtschaftswunder nie gegeben. Gerade sie, die Flüchtlinge und Vertriebene waren es, die sich für keine Arbeit zu schade waren. Ich denke wir dürfen deshalb mit Selbstbewusstsein sagen, dass es auch unser Beitrag war, der das neu entstandene Bundesland Baden-Württemberg zu einem solchen Erfolgsmodell gemacht hat, wie wir es heute bewundern und beglückwünschen zu seinem 60. Geburtstag.

Peter Zimmermann, 1 Vorsitzender HOG Mramorak


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