Franzfelder Heimattag - 16. 7. 2016 - Sondelfingen
(Texte)
Auszug aus der Festpredigt


Franzfelder Andacht – 16. Juli 2016 : 11.00 Uhr

Wir singen den Kanon:
„Lobet und preiset ihr Völker den Herrn, freuet euch seiner und dienet ihm gern. All ihr Völker lobet den Herrn.“

DIE ANDACHT

Liebe Franzfelder Landsleute, liebe Gäste!
(1)
Das Franzfelder Heimattreffen hat seine Geschichte – und mit dieser Geschichte verbunden ist auch unsere Lebensgeschichte, d.h. viele von Ihnen haben regelmäßig daran teilgenommen. Gerade in der Anfangszeit nach unserer Vertreibung und Flucht, war dieses Treffen für unsere Landsleute ein „Stück Heimat“.
Nun sind viele Jahrezehnte vergangen – Bei uns Mramorakern z.B, findet nächstes Jahr das 70. Treffen der Landsleute statt. Wie viele es wohl für die Franzfelder waren?
Und wie das Zusammenkommen und Erzählen, das Singen und Tanzen dazugehört, so gehört auch die ANDACHT (bzw. der Gottesdienst) dazu.
Heute darf ich mit Ihnen ein Bibelwort teilen: Es ist die Losung für den heutigen Tag – ein Wort aus dem Propheten JEREMIA – Kap. 16,19:
„HERR, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“
Beim ersten Lesen haben mich gleich zwei Worte beschäftigt: „Zuflucht“ und „Not“. - In dem Wort Zuflucht liegt ja das Grundwort: FLUCHT.
Als ich in den letzten Tagen die Trauerfeier zur Urnenbeisetzung von Frau Theresia („Resi“) RÖDLER halten durfte, eine Frau, die 95 Jahre alt geworden ist, da wurde mir die „FLUCHT- und NOTGESCHICHTE“ unserer Landsleute wieder ganz neu bewußt.

(1) N O T-GESCHICHTE Als die deutschen Soldaten Anfang 1945 den Rückzug antreten mußten, konnten noch einige unserer Franzfelder Landsleute evakuiert werden. – Dem ist auch zu verdanken, daß die Franzfelder noch viele Gegenstände aus der alten Heimat in die neue mitnehmen konnten – und sie heute in der Heimatstube zu sehen sind.
Andere aber wurden in Franzfeld in einem Ghetto zusammengetrieben und mußten mit ansehen, wie ihr Dorf von Titopartisanen und Russen eingenommen wurde.
Plötzlich war das Leben in Franzfeld anders geworden: Vorbei war es mit dem geordneten Leben und Arbeiten, mit den arbeitsreichen Werktagen und dem beschaulichen Sonntagen, Vorbei war es mit dem Schulbetrieb oder dem Arbeitsbetrieb in den dortigen Werkstätten. Vorbei war es mit der Freiheit und Menschenwürde. Vorbei auch mit den schönen Gottesdiensten.
....

(2) FLUCHT-Geschichte
„HERR, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“
Für viele lag vor der Flucht aber noch der Transport in eines der vielen LAGER – eigentlich „Konzentrationslager“.
Viele kamen nach RUDOLFSGNAD und erlebt dort das Krankheiten, Hunger, Geschlagenwerden, das Frieren, die Angst und Ungewißheit der Zukunft – und viele Frauen erlebten noch mehr. Alte und Junge – Kinder und Greise waren der Willkür von Menschen ausgesetzt.
Aber, trotz dieser äußeren Not, wurde für viele „FLUCHT“ zur „Zuflucht bei ihrem Gott“. Im Lager Rudolfsgnad wurden die alten Kirchenlieder und viele andere Lieder der Nazaräner und Methodisten gesungen:
„Gott ist die Liebe“ – war eines der Hauptlieder. Mit Hilfe der geretteten Bilder wurden alte Geschichten erzählt – und für die Menschen darauf gebetet.
In dieser Not fingen viele an über „Flucht aus dem Lager“ nachzudenken. – Einige wagten es, sie wurden wieder gefangen und geschlagen und eingesperrt. – Und wieder versuchten es einige. – So auch meine Mutter, Tante und Großmutter mit meiner Schwester und mir. – Und siehe, wir fanden den Weg über Ungarn nach Österreich.
Und wenn wir heute von „traumatischen“ Erlebnissen hören und wie viele versuchen, mit den Betroffenen diese zu heilen – so fragen wir, Heimatvertriebene: Wer hat uns bei der Verareitung dieser schweren Erfahrungen geholfen?
...

(3) DAS GROSSE LOBLIED
„HERR, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“
Deshalb, also, Ihr Lieben, hat von Anfang an unserer Heimattreffen der Gottesdienst zum Treffen dazu gehört.
Anfangs waren es noch unsere alten Heimatpfarrer – so denke ich an Bischof Hein oder an Pfarrer Rometsch, oder Pfarrer Merkle.
Und irgendwann kam auch ich dazu – ein donauschwäbisches Kind aus Mramorak, mit einer Wurzel über die Großmutter nach Franzfeld.
Ich erinnere mich noch, wie Pfarrer Rometsch mich ermutigt hat, diesen Dienst zu übernehmen, und wie Dr. Lieb und Konrad Hild mit anderen mich darum baten.
Ich bin mir ziemlich sicher, wie unsere Landsleute, vor allem die Generation die noch vor der Jahrtausendwende (1900) geboren wurden, aber auch danach, ihren Kindern und Enkeln von der Hilfe und dem Trost erzählt haben, die sie durch den Glauben an den lebendigen Gott – seinem Heilshandeln in Christus – bekommen haben.
Es war ja nicht unser Witz und Verstand, der uns aus der Not und der Flucht durchgetragen und in die Freiheit geführt hat, sondern die Gnade und Barmherzigkeit Gottes.

Der Prophet JEREMIA hat mit dem Volk Israel Ähnliches erlebt:
Der Prophet mußte den Niedergang des Glaubens an den lebendigen Gott in Israel erleben – und Gott gab ihm als Botschaft ein Gerichtswort. Er soll ihnen sagen: Eure Väter haben Gott verlassen – sie haben sich Götzen gemacht und vor ihnen angebetet – sie habe den wahren Gott verlassen und Unrecht getan untereinander – den Armen unterdrückt.
Aber gleichzeitig wird Jeremia auch ein Heilsbotschaft geschenkt: „So wahr der HERR lebt, der die Kinder Israel geführt hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hatte – Denn ich will sie zurückbringen in das Land, das ich ihren Vätern gegeben habe.“
Und auf diese Heilsbotschaft hin folgt dann ein LOBPSALM:
„HERR, du bist meine Stärke und Kraft Und meine Zuflucht in der Not! Die Heiden werden zu dir kommen Von den Enden der Erde.“ … Darum siehe, diesmal will ich sie lehren Und meine Kraft und Gewalt ihnen kundtun, daß sie erfahren sollen ICH HEISSE DER HERR.“
Ach, Ihr lieben Landsleute!
Wir haben dieses Wunder erlebt – und wir haben Vertreibung und Flucht und Not und Gewalt überwunden, wir durften eine neue Heimat finden, Arbeit und Brot – und wir sind hineingenommen in eine große christliche Gemeinschaft.
Sollten wir da nicht täglich unserem Herrn und Heiland Dank sage und auch unseren weiteren Lebensweg – wie auch unsere verstorbene Theresia Rödler – in Gottes Hand wissen?
Nehmt es mit, das Loblied: „HERR, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“
Amen

Ihr "Pfarrersvetter" Jakob Stehle



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